“Archeologia", Aktion I-XVI | 2006

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Archeologia, Exhibition EisenstadtArcheologia, Exhibition Eisenstadt
Archeologia, Aktion 9, 2006, 1.00x1.60 m, pigmentierte Tinte auf Leinwand | Archeologia, Aktion 10, 2006, 1.00x1.60 m, pigmentierte Tinte auf Leinwand

Das erste das mir auffiel war der Terracottaboden im Atelier, der sehr schön ist. Er barg schon alles in sich, was mir erst später in der Stadt bewusst wurde, die Archäologie der Zeit - die Layer, die Landkarten, die Menschen, die Geschichte, die Gefühle.
Auch mein Wunsch mit Modellen zu arbeiten ist ein Resultat dieses Bodens, weil ich immer an den Rossellini Film „Viaggio in Italia“ und die Ausgrabungsszene in Pompeij denken musste – das tote Liebespaar, das das lebendige-tote wieder zueinander brachte und sie somit wieder lebendig machte. Die Mythologie die in diesem Boden steckte war von Anfang an die Antriebsfeder.


La prima cosa che ho notato è stato il pavimento di terracotta dello studio, così bello. Conteneva in sè già tutti gli elementi della città, di cui sono diventata consapevole in seguito, l'archeologia del tempo - gli strati, le mappe, gli uomini, la storia, i sentimenti.
Il mio desiderio di lavorare con dei modelli è scaturito da questa ispirazione, perché il mio pensiero ritornava sempre al film di Rossellini "Viaggio in Italia" e agli scavi di Pompei - la coppia morta di innamorati, l'atto che ricongiunge i morti viventi e dà loro nuova vita. La mitologia contenuta in questa terra mi ha dato la spinta per questo lavoro.


Eva Brunner-Szabo Roma, Sommer/estate 2006

Gertrude Grossegger zur Arbeit „Archeologia“ von Eva Brunner-Szabo
und wie ich sie liegen gesehen habe auf dem boden am foto und nackt ist sie gewesen und die beine hat sie angezogen gehabt und das foto ist langzeitbelichtet gewesen und wie sie verschiedene kauerstellungen mit kreide aufgezeichnet hat und wie sie diese am terracottaboden mit ihrem eigenen körper ausgeführt hat und wie sie sich innerhalb der von ihr gezeichneten umrisslinien gelegt hat und wie der körper eins geworden ist mit dem boden und wie er an die vielen skulpturen in der stadt erinnert hat wie diese aus dem boden wachsen und wie sie sich herausformen und wieder in den boden zurückhineinverschwinden und wie viele sprünge und kratzer und abschabungen der boden hat und wie sehr das mit der natur zu tun hat und mit dem menschen in dieser natur oder aus dieser natur heraus und wie weh die sprünge dem menschen tun und der natur und wie sehr mich die nackte haut auf diesem nackten boden berührt hat und wie weh sie getan hat und wie sehr die alten wunden und risse und kratzer im boden bleiben und im körper.

Gertrude Grossegger about the work „Archeologia“ from Eva Brunner-Szabo
and how I have seen her on the floor on the photography and she has been naked and she has tucked up one’s legs and the photography has been long exposured and how she has drawn different positions of crouches with chalk and how she has done these positions on the terracotta floor with her own body and how she laid down in the drawn contour and how the body merged with the floor and how he remind on the sculptures in the city and how they grow from the ground come out and revert to the ground again and how many flaws and scratches and abrades the ground has and how these is concerned to nature and with the man in these nature or from these nature out and how the flaws hurts the man and the nature and how deeply moved I’m from these bare skin on the bare floor and how defensless she was and how the old wounds stay in the floor and in the body.

Auszug aus einem Gespräch zwischen Eva Brunner-Szabo und Gerda Lampalzer über die Fotoarbeiten der Jahre 2005/06/07 geführt am 12.1.2007

G.L. Mich erinnern deine Arbeiten an archetypische Situationen wie die Pubertät, die Entjungferung, die Geburt, die Trennung und am Ende, wenn man alles durchgemacht hat, steht man da mit einem größeren Horizont und man kann einen neuen Anfang wahrnehmen.

E.B. Die Fotografie ist für mich eine Art Katalysator, das war sie immer schon. Sie gibt mir die Möglichkeit, meine Gefühle, die oft nicht verbalisierbar sind, in Bilder zu fassen.

G.L. Du beschreibst eine Gefühlswelt, aber immer im Wechsel zwischen Innen- und Außensicht. So erinnert mich „Fear in Pain“ an eine Verwandlung, etwas durchstoßen, etwas Brutales, auf alle Fälle zeigt die Arbeit einen Übergang von einem Zustand in den anderen. In Kombination mit der Bettszene im „Hotel Orient“ ergeben sich aber für diese Arbeit zwei Sichtweisen für mich, der voyeuristische Blick des Mannes aus „Hotel Orient“ steht im Gegensatz zur Sicht des Innenlebens der Frau in „Fear in Pain“. Durch die Kombination der beiden Arbeiten wird das formal nicht besonders gute Foto „Hotel Orient“ umorientiert auf eine feministische Sicht und bekommt dadurch eine ganz andere Bedeutung. Es ist mehr Hinweis für eine Leseart wie man Verbindungsfäden in den Arbeiten lesen kann.

E.B. Es geht mir auch um die Darstellung von mehreren Sichtweisen. Ein Foto steht für mich nie alleine, es hat immer ein Davor und Danach. Fotografie ist für mich weit mehr als nur die Abbildung eines Motivs, sie ist eine Methode Gemütsfelder zu öffnen, oder auch Erkenntnisse, die ich durch die Fotografie gemacht habe, weiterzugeben – Gefühle, die das Leben bestimmen, wie Trauer, Wut, Liebe, Abschied, Schmerz, Geborgenheit. Ich glaube dadurch, dass ich sie zeige, werden sie übertragbar und bekommen so Symbolkraft auch für andere Menschen.

G.L. Was mich interessiert, ist die Art wie die Fotos entstehen? Dieses Arbeiten in einer doppelten Rolle, Regisseurin und Modell in einem zu sein.

E.B. Dieses Arbeiten in einer Doppelrolle entstand wohl aus meinem inneren Zwiespalt zwischen Intellekt und Gefühl. Die Kamera ist für mich der Intellekt und das Modell das Gefühl. Im Moment der Produktion der Fotografien kann ich beides vereinen. Dadurch bekommt die Arbeit für mich etwas Befreiendes, so kann ich z.B. einem diffusen Gefühl wie Trauer etwas Reales entgegensetzen, nämlich die Inszenierung der Situation für die Kamera.
Das Gefühl wird dadurch auf eine bestimmte Weise besetzt, gestaltet, ausgelebt und bewältigt, ich sehe das für mich wie ein Ritual.

G.L. Ich möchte es mit kleinen Choreographien vergleichen, wo die Requisiten und der Ort, d.h. die Stimmung ausgewählt wird und dann eine Performance erfolgt, die einerseits kontrolliert ist durch die Vorgaben, aber andererseits durch die Verwendung von Langzeitbelichtung und Stroboskopblitzen extrem offen bleibt.

E.B. Es stimmt, ich kann das Foto nur bedingt kontrollieren. Sobald ich als Akteurin alleine oder mit meinen Modellen im Setting bin, ist alles wieder offen. Wie für Francis Bacon die Leinwand ein Schlachtfeld von Zufall und Aggression war, ist es für mich das Fotoatelier.

Plane Two – Gerda Lampalzer (an extract from a conversation about the photographic works from 2005/06/07)

G.L. Your works reminds me of archetypical situations like puberty, deflowering, birth, separation and at the end, when you have gone through all, your are at a broader horizon and a new beginning can be perceived.

E.B. For me Photography is a kind of catalyst, it always has been. It allows me to turn my emotions which are not often being verbalised, into images.

G.L. You describe a world of emotions always alternating between the inside and outside. “Fear and Pain” reminds me of a transformation, of penetrating something, something brutal, in any case the work shows a transition from one state into the next. Two viewpoints arise from the bed scene in “Hotel Orient”, the voyeuristic view of the man from “Hotel Orient” is placed in contrast to the view of the inner life of the woman in “Fear and Pain”. Through the combination of both works the not so well done photo “Hotel Orient” is re-orientated towards a feminist point of view and gains a completely different meaning. It is more like a comment of how to read connecting threads within the works.

E.B. I am also concerned about the presentation of more than one viewpoint. A photo for me never stands alone, it always has a before and a after. For me photography is far more than the depiction of a motive, it is a method to open up fields of emotions, or even to pass on a realisation I have created through photography - emotions that form life, like mourning, rage, love, parting, pain, security. I believe that because I show them they are transferable and gain symbolic strength for other people.

G.L. I am interested in how these photos develop? Working in a double role, director and model in one.

E.B. The working in a double role developed from my inner dispute between intellect and emotion. For me the camera is the intellect and the model is the emotion. In the moment of the production photography can unify both. Therefore the work is something that frees me up, as I can oppose to the emotion of sadness something real, like the production of the situation for the camera.
The emotion is placed in certain kind of way, it is formed, lived up and managed, I see this like a ritual.

G.L. I like to compare this with small choreographies where requisite and place, e.g the emotion are chosen and then a performance happens which on the one hand, is controlled by the parameters, on the other hand remains extremely open by the use of long-term exposure and stroboscopic light

E.B. That is right, I can only partially control the photo. As soon as I as the actor am alone or with my models in the setting, everything is open. As for Francis Bacon the canvas was a battlefield of chance and aggression, the photo studio is this for me.